Donnerstag, 13. Dezember 2007

Über Gefühle einer Mkinga- Frau in Österreich



Gedanken zu Wema´s Aufenthalt in Österreich und Zitate von ihr:

Eine Mkinga- Frau in Österreich, in der Stadt noch dazu, muss viel bewältigen. Vieles kann sie wahrscheinlich nie verstehen. Zum Beispiel, welchen Sinn es macht, Blumen für jemanden zu kaufen, die dann sowieso verwelken. Oder warum die Menschen hier sich beim Tanz zu zweit einfach aneinander festhalten und im Kreis drehen, wie kleine Kinder im Spiel. „Das im Kreis drehen kann Hongera auch“ (ihre kleine Tochter)



„Hier lachen die Leute ganz laut und so dass es jeder sehen kann….“

„Ich verschwende mein Lachen nicht!“

„Du isst einfach etwas, was du nicht kennst?“ (running sushi)

„Die strengen sich wirklich an“ (Service im Flugzeug)

„Ihr weißen liebt einander wirklich….“ (Beobachten eines jungen Paares mit einem kleinen Kind)

„hier braucht man also keinen Mann mehr…“ (Beate Uhse- Sexshop)

Obwohl ich länger als ein Jahr in Tansania lebte und das Leben der Menschen dort sehr intensiv wahrnahm, machen sich die kulturellen Unterschiede hier noch deutlicher sichtbar. Was diesen Menschen von klein auf in Angst anerzogen wurde, ist schwer loszuwerden.

Oft sind es die Probleme und Unsicherheiten mit denen jeder Fremde in ein einem fremden Land zu kämpfen hat- die Sprachenbarriere zum Beispiel. Ich fing oft böse Blicke ein, wenn sie das Gefühl hatte, dass ich über sie lachte. Was aber nie der Fall war.

Das Reden hier ist sowieso etwas anderes. Hier sagt man alles was einem durch den Kopf geht. Vielleicht rede ich nur von mir und meinem Bekanntenkreis. Das war ihr auch oft zu viel. Als sie sich Ohrringe stechen gelassen hatte, durfte ich es niemanden erzählen, das tut man nicht! Wenn sie etwas Tolles gemacht hatte, durfte ich es niemanden erzählen, das tut man nicht weil das ist nur ihre Sache…..

Sehr bald allerdings bemerkte sie, dass ich fast unverbesserlich bin und sie mich nicht daran hindern kann so zu sein wie ich eben bin und so wie es die Kultur hier erlaubt. Ich glaube, bis zu einem gewissen Grad, hat sie das auch verstanden, dass die Menschen hier anders sind und offener als sie es gewohnt war.





Wema´s Kinder:
Ode 8 Jahre alt
Hongera 5
Isaka fast 2

Seit der Scheidung ihres Mannes sorgt sie für die Kinder allein. Von ihm kommt kein einziger Beitrag.
Wema "Er war nie ein Kinderfreund"




 
Die Interviews mit Wema wurden von Mal zu Mal interessanter und man erfuhr immer mehr
über ihr Leben. Im Gespräch mit Luisa (aus Kenya) und Kathi von Radio Afrika, lag der
Schwerpunkt im Leben einer Frau ihres Stammes.
Wie viel ist eine Frau für ihren Mann wert und wie viel muss sie über sich ergehen lassen?
Vor allem wie viel muss eine Frau ertragen haben, bis sie den Schritt wagt, sich scheiden
zu lassen?
Wema ging gemeinsam mit uns genauer auf ihre vergangene Ehe ein. Teilweise war es erschütternd,
sehr prüde und gefühlstot. Wir waren uns sicher, dass man Kathi´s Fragen nicht ohne über
Gefühle zu sprechen, beantworten kann, aber Wema schaffte es.


Jede Frage die unsereiner mit einer Gefühlsbeschreibung beantwortet würde, wurde von ihr
belächelt und die Antwort war meistens: „Ja, und wenn ich mich schlecht fühle wenn mein Mann
mich schlägt, ändert´s was?“
Wema:
„Ändern überhaupt gute oder schlechte, verzweifelte oder zornige Gefühle meine Lebenssituation?
Es fragt doch niemand danach, und wenn ich´s jemanden sagen würde, was hilft es mir? Er schlägt
nur sein Eigentum.“
„Das mit Mann und Frau ist hier in Österreich sehr anders. "
"Eine afrikanische Frau macht so gut wie alles. Sie kocht, bringt Kinder auf die Welt und zieht
sie groß, hackt Feuerholz, macht die Feldarbeit und der Mann weist sie auf ihre Fehler zurecht.
Es gibt keine Fragen. Wenn etwas nicht ordnungsgemäß verrichtet wurde, gibt es Schläge mit dem Stock.
Aber nicht diesem kleinen, mit dem die Schulkinder geschlagen werden, sondern mit einem riesigen.
Oder mein Mann nimmt sonst irgendetwas, das ihm gerade in die Hand kommt. Wenn man sehr abgelegen wohnt,
hört einem niemand schreien.“
Kahi im Interview: "Als wen hast du deinen Mann gesehen? Als Gott, als deinen Herrn und Übermensch?
Wema: "Als......mein Mann!"

Wema: „Ich wünsche ihm ein schönes Leben, trotz allem was er mir angetan hat, er war immerhin
mein Mann“

Dieses Interview lies mich auch viele unklare Situationen mit Wema verstehen. Sie ist nicht
gewöhnt zu zeigen ob ihr etwas gefällt oder nicht. Das hat sie nie gelernt. Sie wurde nie danach
gefragt. Und jetzt plötzlich fragt sie jeder „Magst du dies und magst du das?“
Es gibt zwei Gefühle: Eines ist satt gegessen zu sein und das andere ist Schmerzen haben
und krank sein. Ist man satt, geht’s einem gut- ist man krank, geht’s einem schlecht.
Wer fragt da schon nach einem Gefühl? Gefühle helfen nicht, weil sie ignoriert werden.
Deshalb werden sie einfach abgeschaltet. Aber kann man so leben?
Ich glaube, dass dieses Beispiel auch einen Basisgrund zeigt, für dort vorherrschende
Misskommunikation, das Voneinander Verstecken, Schweigen statt Aufschreien, Lügen aus Angst,
zu Boden blicken, Flucht vor Konfrontation, und dann der sich tief hineingefressenen Hass
und Zorn der dann zum Ausbruch kommt wenn sich jemand aus der Reihe bewegt.





Dann fragen wir uns wieder und wieder, warum wir mit der
dortigen Situation zu kämpfen haben. Wema und einige
andere von dort, sind ein gutes Beispiel.
Eine Frau die sich innerhalb von wenigen Jahren soweit

gewandelt und geöffnet hat, dass sie ihre eigene Wahrheit im Leben entdeckt und sich aus dem
Zwang der Gesellschaft teilweise heraus gewrungen hat. Ihre neuen Lebensansichten
und Erfahrungen aus Europa wird sie mitnehmen und
weitergeben. Und dann langsam, lichtet sich diese tief

sitzende Angst und der Zwang alles gleich zu halten wie es schon immer war.

"Welchen Namen hat ihr Gefühl?"
"Wieviel darf sich eine Frau wert sein?"

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