Sonntag, 1. März 2009

Zu spät für Veneranda- ein sehr trauriger Tag



Veneranda- die zweite von links

28. Feb. 2009

Wie konnte ds geschehen?
Das hätte nicht passieren müssen.

Veneranda, ein HIV- Aids krankes Waisenkind aus dem Waisenhaus in Bulongwa, in dem ich vor 3 Jahren arbeitete ist soeben gestorben. Sie starb heute um 17:30 im Ikonda- Krankenhaus. Mich hat ihr Tod stark getroffen, da ich viel Zeit mit ihr verbracht hatte und ihren Kampf laufend mit verfolgt hatte. An dem Tag, 2006, an dem die CTC- Klinik gewaltvoll geschlossen wurde, stand sie in dem Haus von Dr. Brandl und weinte. Sie meinte wenn er gehe, würde sie sterben. Wir versuchten sie zu beruhigen und versprachen, alles würde wieder gut und gemeinsam würden wir gewinnen- es waren immerhin genug Menschen da, die sich um sie kümmerten. Das letzte Mal als sie im Krankenhaus lag, etwa vor einem Monat, sprach ich mit ihr und sie bat mich darum für sie zu beten.
Der Tod ist überall und Menschen müssen einmal sterben, aber Venerandas Tod und der vieler anderer hätte nicht sein müssen. Nicht die Krankheit tötete sie schlussendlich nach einem langen Kampf, es war die Gleichgültigkeit und der Stolz jener Menschen, welche sich nicht eingestehen konnten, dass das Bulongwa Lutheran Hospital (BLH) kein effizientes Service bieten kann, um ein schwer krankes Mädchen ausreichend zu versorgen. Veneranda (16) wurde nach dem gewaltvollen Schließen der Care and Treatment Clinic im BLH, kaum auf ihr CD4 getestet. Und wurde sie getestet, reagierte jedoch niemand auf ihre CD4- Werte, die über die letzten 3 Jahre bedeutend gesunken waren.

Trotz mehrerer Krankheitsschübe und Krankenheitsaufenthalte, wurden keine Initiativen ergriffen seitens des Krankenhauses und des Waisenhauses. Nur PIUMA versucht mehrmals Gespräche mit den für Veneranda zuständigen Personen zu führen, was zwar teilweise auf Verständnis stieß, aber dennoch zu keinen Maßnahmen führte.

In diesem Zusammenhang möchte ich von Sister Anna erzählen, die mich hier am allermeisten enttäuscht hat. Sie ist eine schwedische Missionsschwester, in Bulongwa seit 40 Jahren tätig. Sie hatte auf die Anschuldigen an die Kirche und Maßnamen in den Medien bezüglich der großen Geldveruntreuungen im BLH, sehr emotional reagiert und sah jene welche an der Spitze der Demonstrationen standen, als die schmutzigsten und schlechtesten Menschen an. Das lag warscheinlich auch daran, dass sie ihre heile, wenn auch im Inneren noch viel schmutzigere Welt der Kirche und der Mission, aufrechterhalten wollte. Sie war und ist bis heute besonders gut darin, ihre Augen vor Diebstählen und Geldveruntreuungen zu verschließen. Diesbezüglich hatte ich auch vor einem Jahr eine große Auseinandersetzung mit ihr.

Nach wie vor ist meiner Meinung nach offensichtlich, dass ihr ihr eigener Stolz im Bezug auf Venerandas Therapie, wichtiger war, als Venerandas Leben. Sie hatte sich gegen PIUMA`s Unterstützung und Beratungsgespräche mehrfach gewehrt und aus Trotz Veneranda schon einmal in das PIUMA- Büro bringen wollen- sollten die PIUMA`s sich um sie kümmern, wenn sie es besser wissen- da ein harmloser Artikel über Veneranda auf der Web- side von PIUMA stand.

Und nun gegen Ende von Venerandas Leben, ließ sie sich nach langen Gesprächen endlich dazu überreden, Veneranda in das 4 Stunden entfernte Ikonda- Hospital zu bringen, wo sie die lebensrettenden Tests und Medikamente beziehen kann. Natürlich ohne jegliche Unterstützung seitens des Waisenhauses anhand von Personal und Transportkosten. Der Stolz und gleichzeitig Angst das eigene Krankenhaus so in den Schatten zu stellen muss ganz stark gewesen sein- eine Trotzreaktion auf freche Interventionen die etwas in Frage stellen könnten. Sie pries sich selbst immer als eine von Gott Gesandte, die alle Menschen liebe und allen helfen wolle. Sie hatte das auch sicher versucht und teilweise getan, aber seit Jahren muss sie eindeutig versagt haben. Was Veneranda nun betrifft, war sie bei aller Arbeit die sie bisher seit Kolonialzeit angeleitet hatte, hier anscheinend nicht fähig genug ein ihr nahestehendes Waisenkind, dass sie jeden Tag sieht, in ein gutens Krankenhaus zu bringen. Nicht zu vergessen, dass sie Krankenschwester ist.
Juma, der Clinical Officer PIUMA`s, hatte sie nach Ikonda begleitet und als sie dort angekommen waren, war es im Krankenhausbett bereits zu spät für Veneranda.
Zu spät um ihre Leberwerte und ihren CD4- Stand zu messen, zu spät für weitere Hoffnungen und Versprechen. Zu spät.
Veneranda war ein sonniges und stets aufgewecktes Wesen. Sie konnte singen und tanzen, dass mir die Seele im Leib lachte. Sie konnte auch frech und wild sein und das war auch gut so. Sie erfüllte das Waisenhaus regelmäßig mit ihren Witzen und kümmerte sich stets um die anderen Kinder, welche wie sie die ARV- Medikamente nehmen mussten. Ihre Krankheit gab ihr immer schon eine Sonderstellung- sie wurde sogar zu einer kleinen Prinzessin durch die vielen Interviews die sie gab und die vielen Vorteile in Essen und Kleidung, die sie sich im Waisenhaus leisten durfte. Die Prinzessin war jedoch auch eine Außenseiterin- doch anders als alle anderen. Darunter muss sie auch sehr gelitten haben- sie war um einiges kleiner als andere Kinder ihres Alters und durch ihre Krankheit war sie auch oft gehindert an allen Aktivitäten wie andere Kinder teilzunehmen.

Sie hatte mir damals viel über sich erzählt, über ihr Leben vor dem Waisenhaus, über ihre Geschwister und Cousinen, welche noch in ihrem Heimatort auf dem kalten Erdboden schlafen. Als ich vor einem Jahr das letzte Mal in Tanzania war und erfuhr dass Veneranda ihre Medikamente bewusst aber geheim abgebrochen hatte, sprach ich sie darauf an und fragte warum sie das getan hätte. Da sagte sie:“ Nilitaka kufa.“ Was heißt- „Ich wollte sterben.“ Sie tat das innsgesamt 3 Mal und jedes Mal kam sie noch über die Runden. Einmal tat sie es, weil ihr ihre Krankheit vor ihren Freundinnen peinlich war, oder sie dürfte diskriminiert worden sein von anderen Schulkindern. Ihr Kampf hatte sich lange durchgezogen- vermutlich anhand einer andauernden Frustrationsphase. Sie wusste, sie ist anders. Dies brachte ihr so manche Vor- aber auch Nachteile. Aber schlussendlich dürfte dieses Gefühl, ein Leben lang an Medikamente gebunden und krank zu sein überwogen haben.

Was mich hier noch viel tiefer trifft ist als die Tatsache, dass Veneranda tot ist, ist, dass noch viele andere weiter leiden und sterben werden, aufgrund des schlechten Services und aufgrund machtgieriger Autoritäten. Sie war eines der positiven Beispiele, dass man an HIV/Aids nicht mehr sterben muss- sie war eine von denen, die über ihre Krankheit sprach und somit ein Hoffnungssymbol darstellte.

Sie soll nicht umsonst gestorben sein- nehmen wir es als ein Zeichen, dass etwas geschehen muss. Es muss etwas geschehen, um das Menschenrecht auf eine gute Behandlung erfüllt wird und das Leiden endlich ein Ende nimmt. Der Tod Venerandas soll vielleicht zeigen, dass nicht mehr gewartet werden soll, jeder Tag- jede Minute zählt. Es ist Zeit dass Menschen wieder aufstehen und um ihre Rechte kämpfen- um ihr Recht auf Leben.

Elisabeth Zenz

Mehr und ausführlicher hier von Vicky Ntetema (BBC)

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